Den 22. April 2018 werde ich so schnell nicht vergessen. Ich war am mit Freunden unterwegs und den ganzen Morgen schon unglaublich hibbelig. Um halb zwei klingelte endlich das Telefon: «Gratulation, Du hast den Sprung in die Exekutive geschafft!» Ja, was sagt man da? Natürlich: «Danke und ich freue mich!» Und gleichzeitig überschlugen sich die Gedanken: Welches Ressort werde ich übernehmen? Schaffe ich das alles,? Weiss ich genug? Aber im ersten Moment hat ganz klar die Freude überwogen!
Damit ihr Euch meine Sorgen und Nöte ein bisschen vorstellen könnt: Glattfelden bietet rund 5200 Menschen im Zürcher Unterland ein Zuhause. Es ist eine typische Landgemeinde, bürgerlich regiert, mit einem SP-Wähleranteil bei den letzten Kantonsratswahlen von 15%. Die stärkste bürgerliche Partei ist die SVP mit 44% Wähleranteil. Ihr seht: Ein eher hartes Pflaster, wo ich seit 2009 wohne und fast so lange auch politisch engagiert bin.
Die Gemeinderatswahlen in Glattfelden liefen dieses Jahr ein bisschen anders ab: Die Stimmbevölkerung hat im Winter 2017 entschieden, dass der Gemeinderat neu aus sieben statt bisher sechs Mitgliedern bestehen soll. Zudem gab es Kampfwahlen, weil zwei bisherige Gemeinderäte nicht mehr angetreten sind, der Schulpräsident zum ordentlichen Gemeinderat wechseln wollte und wir so insgesamt 5 Kandidaturen für 4 neue Sitze hatten. Der neue zusätzliche Sitz im Gemeinderat führte dazu, dass die Ressorts neu eingeteilt und verteilt wurden. Das Ressort Finanzen und Liegenschaften reizte mich, von den zur Auswahl stehenden, am meisten. Als ehemaliges Mitglied der Rechnungsprüfungskommission der Gemeinde hatte ich schon ein Bild der Gemeindefinanzen und konnte mir ungefähr vorstellen, was auf mich zukommen würde.
Das Sprichwort «Geld regiert die Welt» mag mir persönlich nicht gefallen, in der Exekutive stimmt es aber. So war es auch ein taktischer Entscheid, das Ressort «Finanzen und Liegenschaften» zu übernehmen. So kann ich, auch wenn ich in der Minderheit bin, mit gutem Recht zu fast allen Geschäften etwas sagen und werde fast überall eingebunden.
Da ich auch Kantonsrätin bin und in Zürich arbeite, war mir auch klar, dass ich die zeitlichen Verfügbarkeiten tagsüber, die zum Beispiel das Ressort «Infrastruktur» mit den Terminen zum Beispiel im Werkhof vor Ort mit sich gebracht hätte, nicht erfüllen könnte.
Bevor ich in Glattfelden Gemeinderätin geworden bin, war ich vier Jahre in der Rechnungsprüfungskommission der Gemeinde. Das und mein Amt als Kantonsrätin haben mir viel Rüstzeug für die Zusammenarbeit mitgegeben: ich bin es mir gewohnt, aus einer Minderheitsposition heraus zu politisieren. Trotzdem schaffe ich es ab und an, einen Kompromiss zu erzielen oder gar einen Gewinn zu verbuchen. Auch bin ich dank den vergangenen vier Jahren an den Umgangston in den verschiedenen Gremien gewöhnt und habe mir ein dickeres Fell angeeignet. Ich bin es mir heute , leider, gewohnt, dass ich als junge Frau stets besser vorbereitet an Sitzungen erscheinen muss, als meine männlichen Kollegen. Mein Wort oder meine Argumente müssen besser unterfüttert sein, als die Behauptungen von meinen Kollegen. Ich muss lauter reden, um zu Wort zu kommen. Und wenn eine Diskussion einmal heftiger wird, wirft man immer zuerst mir als Frau vor, dass ich emotional werden würde. Das sind nicht nur meine Beobachtungen. Der Austausch mit anderen Frauen in der Politik bestätigt mich. Umso wichtiger ist es mir, dass ich mit anderen Frauen, auch über die Parteigrenzen hinaus, Kontakt habe und den Austausch pflege. Denn Gemeinsam sind wir stark.
Weiter oben habe ich über meine eigenen Sorgen und Nöte berichtet. Glattfelden selbst hat aus meiner Sicht die folgenden drei grossen Sorgen und Nöte: Unsere beiden Hausärzte setzen sich in absehbarer Zeit zur Ruhe. Wie stellen wir sicher, dass Glattfelden weiterhin ausreichend gesundheitlich versorgt ist? Und was heisst «ausreichend gesundheitlich versorgt»? Brauchen wir weiterhin eine Hausärztin? Wie wohnen ältere Menschen bei uns in Glattfelden, die noch nicht in unser Alters- und Pflegeheim übertreten möchten? Die steigenden Kosten im Bereich «Sozialhilfe» sehe ich eher als kantonale Problemstellung (Stichwort: Solidarischer Lastenausgleich!) als ein isoliertes Glattfelder Problem. Ganz klar «unser» Problem ist aber die Frage, wie wir verhindern können, dass Glattfelden ein Schlafdorf wird. Brauchen wir mehr Einkaufsmöglichkeiten? Ist das noch zeitgemäss? Was soll die Gemeinde im Bereich Kultur und Freizeitgestaltung anbieten? Wie können wir private Initiativen unterstützen?
Ihr lest: ich habe viele Fragen für Glattfelden. Und ich freue mich auf die kommenden Monate, wo ich auf allen Ebenen aktiv daran mitarbeiten kann, um sie zu beantworten.